Nicht nur Wirbeltiere empfinden Schmerzen, auch Hummer, Flusskrebse und Tintenfische können fühlen. Darf man sie trotzdem so einfach in die Pfanne hauen?
Der TV-Koch Frank Rosin soll gegen das Tierschutzgesetzt verstoßen haben, weil er in einer Kochsendung Flusskrebse in einem Topf mit heißem Öl tötete. Doch was wissen Forscher über das Empfinden von wirbellosen Tieren und was folgt daraus für deren Nutzung als Nahrungsmittel?
Empfinden Krebse Schmerzen?
Eindeutig ja. Eine Studie von Forschern der Queen’s University Belfast (QUB) in Nordirland zeigt, dass Krebse nicht nur Schmerzen fühlen, sondern sich auch an diese erinnern. Professor Robert W. Elwood und Mirjam Appel von der School of Biological Sciences an der QUB untersuchten die Reaktionen von Einsiedlerkrebsen auf geringe Elektroschocks. Da sie keine eigene Schale besitzen, leben Einsiedlerkrebse beispielsweise in leeren Schneckenhäusern. Sendeten die Forscher über Drähte an den Schneckenhäusern Schocks an den Hinterleib der darin befindlichen Krebse, verließen viele ihre schützenden Behausungen. Das zeigte, dass diese Erfahrung unangenehm für sie ist.
Einige der mit Strom geärgerten Krebse verließen ihre Schneckenschalen nicht, aber sie erinnerten sich offenbar an das unangenehme Erlebnis. Präsentierten ihnen die Forscher ein alternatives Schneckenhaus, verließen sie schneller ihr angestammtes Heim, um das neue zu inspizieren, als Artgenossen, die keine Stromschocks bekommen hatten. Beide Reaktionen lassen den Rückschluss zu, so die Forscher, dass es keine reinen Reflexe sind, sondern die Signale auch im zentralen Nervensystem der Tiere verarbeitet werden. Dies ist per Definition die Voraussetzung für ein Schmerzempfinden, wie wir es auch als Mensch kennen.
Welche Vorschriften gelten derzeit zur Tötung von Kerbstieren?
In Deutschland dürfen Zehnfußkrebse, zu denen unter anderem Hummer und Flusskrebse zählen, nur durch komplettes Eintauchen in kochendes Wasser getötet werden. Dies soll gewährleisten, dass die Tiere nicht unnötig lange Schmerzen erleiden. Das einseitige Braten in heißem Öl (wie im aktuell diskutierten Fall des Kochs Frank Rosin) ist hingegen nicht zulässig, denn dadurch dauert es viel länger, bis das Tier komplett durcherhitzt ist und stirbt. In der Schweiz ist auch die Tötung durch heißes Wasser seit 2018 verboten.
Tierschutz: welche Betäubung funktioniert bei Wirbellosen?
Welche schonenderen Methoden der Tötung gibt es?
Säugetiere (etwa Schweine) oder Hühner bekommen vor dem eigentlichen Schlachten eine Betäubung durch starke Stromstöße beziehungsweise durch die Begasung mit Kohlendioxid (Co2). Der Zoologe und Zellbiologe Ulf Bickmeyer vom Alfred-Wegener-Institut hat getestet, ob sich diese und andere Verfahren eignen, um auch Krebse zu betäuben. Seine Ergebnisse: Auch bei Krebsen funktioniert die Betäubung mit Co2 sehr gut, wenn es in das Wasser eingeleitet wird, in dem sie sich aufhalten. Durch starke Stromstöße hingegen wird ihr komplettes Nervensystem aktiviert. Ob die Tiere dadurch schmerzfrei sind, lässt sich nicht beurteilen.
Aber auch ein anderes Verfahren zur schonenden Tötung sei denkbar, sagt der Biologe. Wird das Wasser, in dem sich die Krebse befinden, langsam erhitzt, bekommen die Tiere nichts davon mit. Ab einer Temperatur zwischen 30 und 35 Grad reagiert ihr Nervensystem nicht mehr. Sie seien sanft hinübergeglitten, beschreibt Bickmeyer den Vorgang. Einer Betäubung würde das dennoch nicht entsprechen. Eiswasser, wie oft vermutet, betäubt Hummer und Co. jedenfalls nicht, sagt Bickmeyer.
Wie ist das mit Tintenfischen oder anderen wirbellosen Tieren?
Auch Oktopusse und andere Tintenfische empfinden Schmerzen, vermutet die britische Forscherin Kristin Andrew in einem gemeinsam mit ihrem mittlerweile verstorbenen niederländischen Kollegen Frans de Waal verfassten Artikel in der Fachzeitschrift „Science“. So vermeiden Oktopusse Orte, an denen sie in der Vergangenheit Schmerzen erfahren haben. Offenbar erinnerten sie sich an frühere unangenehme Erlebnisse und bewerteten diese. Diese Ansicht ist mittlerweile in Großbritannien Konsens. Dort wird aktuell darüber diskutiert, ob Tintenfische ebenso wie Krebse in den gesetzlichen Tierschutz aufgenommen werden sollen.