Verspätungen, überfüllte Züge, Pendlerfrust: Auf der Marschbahn nach Sylt gibt es trotz zahlreicher Maßnahmen der Bahn seit Jahren gravierende Probleme. Warum?
Ohne die Zweigleisigkeit auf der gesamten Marschbahnstrecke nach Sylt geht es nicht. „Der „Patient Marschbahn“ kann nur genesen, wenn er ein zweites Gleis und eine Oberleitung erhält“, heißt es in einer Resolution von Kreis und Land, den die Teilnehmerinnen und Teilnehmern des vierten Bahngipfels Nordfriesland am Abend unterzeichnet haben.
Die Resolution ist spontan am Wochenende auf die Agenda der Veranstaltung gekommen. Hintergrund waren Berichte, dass die weiteren Planungen des zweigleisigen Ausbaus wegen der angespannten Haushaltslage im Bund verschoben werden könnten.
Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen hatte bereits am Montag den Bund aufgefordert, am zweigleisigen Ausbau der Bahnstrecke nach Sylt trotz aller Sparzwänge festzuhalten. Es gebe bislang zwar keine Absage aus dem Bundesverkehrsministerium. „Es gibt aber auch keine Zusage“, sagte Madsen. „Die Menschen an der Nordseeküste könnten eine weitere Verzögerung der Pläne nicht nachvollziehen.“
Staatssekretär: Planungsphasen müssen weitergeführt werden
Wegen der Unruhe hat sich auch der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Gero Hocker, auf den Weg nach Niebüll gemacht. Es ist eine Premiere, dass ein Vertreter der Bundesregierung bei einem Marschbahngipfel dabei ist, wie Landrat Florian Lorenzen (CDU) betonte.
Hocker versicherte den Anwesenden, dass der Bundestag sich noch diese Legislaturperiode mit dem zweigleisigen Ausbau der Marschbahnstrecke befassen werde. Für sieben Projekte beabsichtige das Bundesverkehrsministerium die parlamentarische Befassung noch vor der Bundestagswahl 2025 anzustoßen, sagte der FDP-Politiker. Dazu gehöre auch das Vorhaben im Abschnitt Niebüll – Klanxbüll – Westerland. Man stehe dazu, dass die Planungsphasen weitergeführt werden müssen.
Die Bedeutung dieses Schienenprojekts sowohl für Tourismus, Gastronomie und Beherbergungsbetriebe auf der Insel wie die positiven Effekte für das Festland, seien unumstritten, unterstrich Hocker. Dieses Projekt genieße weiterhin große Priorität.
Staatssekretär unterstützt Resolution an den Bund
Hocker unterzeichnete nach Angaben des Landrats auch die Resolution, in der der Bund aufgefordert wird, den Ausbau nicht zu verschieben, „und die Planungsphase spätestens bis zum Frühjahr 2025 abzuschließen, damit die Kosten für die Umsetzung noch in den Bundeshaushalt 2026 aufgenommen werden können“.
Der zweigleisige Ausbau soll auf den Abschnitten zwischen Niebüll und Klanxbüll auf dem Festland sowie zwischen Morsum und Tinnum auf Sylt erfolgen. Für die Vorplanungsleistungen, die eigentlich der Bund finanzieren muss, hat das Land Schleswig-Holstein mehr als drei Millionen Euro bereitgestellt. Der Kreis Nordfriesland fordert den Ausbau der eingleisigen Strecke seit rund 30 Jahren.
Pendler und Touristen auf Bahnverbindung nach Sylt angewiesen
Rund 5.000 Menschen pendeln täglich zu ihrem Arbeitsplatz auf die Insel. Sie leiden unter den erheblichen Verspätungen auf der Strecke und übervolle Züge. Die Betriebe auf Sylt stellen eine Abwanderung von Fachkräften fest. Auf längere Sicht könnte es auch dem Tourismus schaden, teilte der Kreis Nordfriesland mit, denn ein Einbruch der Gästezahlen sei zu befürchten.
Ab November sollen zu den Hauptverkehrszeiten auf der Strecke nach Sylt mehr Wagen pro Zug eingesetzt werden. Madsen kündigte an, dass er ab Dezember 300.000 Euro von der Bahn einbehalten werde, wenn die Leistung nicht erbracht werde.
Bereits Hunderte Millionen in Modernisierung geflossen
Der letzte Marschbahngipfel liegt fünf Jahre zurück. Seitdem hat die Deutsche Bahn Millionen in die Strecke investiert. Allein zwischen 2018 und 2022 sind rund 140 Millionen Euro in die Erneuerung der Gleisanlagen auf der Strecke zwischen Elmshorn und Sylt geflossen. 200 Kilometer Gleise und 33 Weichen wurden erneuert und für weitere 20 Millionen Euro Bahnübergänge, Brücken sowie Leit- und Sicherungstechnik modernisiert. 2025 bis 2027 sollen weitere rund 140 Millionen Euro in die Infrastruktur investiert werden, wie Michael Körber von der DB InfraGO sagte.
Pendler: Kurzfristige Lösungen nicht in Sicht
Und dennoch, die Unpünktlichkeit der Marschbahn beeinträchtigt weiterhin viele Menschen. Vieles sei altbekannt, kurzfristige Lösungen seien nicht in Sicht, machte Achim Bonnichsen von der Pendlerinitative deutlich. „Das betrübt uns alle.“
Verkehrsminister Madsen versicherte, er verstehe den Frust der Pendler. Aber er glaube, hier oben auf dem Podium sitze niemand, der morgens aufstehe, und überlege, wie er Pendler ärgern könne. Es sei einfach wahnsinnig komplex.
„Wir stehen uns auch selber im Weg“, sagte Madsen mit Blick auf die langwierigen Planungsprozesse in Deutschland. Man plane, klage und nörgele viele Projekte kaputt.