Das Schlimmste scheint nach den tödlichen Unwettern vorbei. Doch immer deutlicher zeigen sich vielerorts die verheerenden Folgen. Und immer noch werden Dutzende vermisst.

Nach den verheerenden Unwettern im Süden und Osten Spaniens mit mindestens 95 Toten werden trotz zahlreicher Geretteter immer noch viele Menschen vermisst. Verteidigungsministerin Margarita Robles erklärte die Suche nach ihnen zur Priorität des Tages, wie sie dem TV-Sender Telecinco sagte. Die Ministerin nannte keine Zahl, aber laut Medien gelten Dutzende Menschen als vermisst. In den Fokus rückt nun die Frage, ob die Behörden nicht früh genug vor der Gefahr gewarnt haben. Das ganze Ausmaß der Schäden war auch am Donnerstagmittag noch unklar.

Von „vielen“ Menschen wisse man gar nichts über deren Schicksal, sagte die Ministerin. In der besonders stark betroffenen Mittelmeerregion Valencia, in der 92 der bisher bestätigten 95 Toten gefunden wurden, soll nun das Militär gezielt in den Ortschaften Paiporta und Masanasa nach Menschen in Not suchen.

Zugleich lehnte Robles es ab, sich an der in Spanien entbrannten Diskussion über Versäumnisse bei der Warnung vor diesen verheerenden Unwettern zu beteiligen. „Jeder weiß, was er gut und schlecht gemacht hat“, sagte sie mit Blick auch auf einen Streit zwischen Innenminister Fernando Grande-Marlaska und dem Regierungschef der Region Valencia, Carlos Mazón. Beide werfen sich gegenseitig vor, für das Warnsystem zuständig gewesen zu sein. 

Zeitung: Uni schickte Studenten nach Hause 

Tatsächlich gingen Warnungen des Zivilschutzes am Dienstag gegen 20.10 Uhr an die Handys aller Menschen in der Region Valencia, wie der staatliche Rundfunksender RTVE rekonstruiert. Dabei habe es aber schon Stunden vorher zu regnen begonnen, merkte die Zeitung „El País“ an. Und schrieb weiter: Der Wetterdienst Aemet habe bereits am Dienstagmorgen gegen 7.30 Uhr die höchste Warnstufe ausgerufen, was sehr hohe Gefahr bedeutet. 

Doch die Warnungen des Zivilschutzes seien dann erst am Abend erfolgt, als erste Flüsse bereits über die Ufer getreten waren. Viele Menschen waren trotz der Unwetter in ihren Autos unterwegs und liefen damit Risiko, liegenzubleiben oder von der Strömung weggerissen zu werden. Die große Ford-Fabrik in Almussafes und die Universität València hatten ihre Leute zuvor bereits nach Hause geschickt, wie die Zeitung schrieb.

Erinnerungen an das Ahrtal

Schwer getroffen von den heftigen Regenfällen vom Dienstag sind auch andere bei Touristen beliebte Regionen am Mittelmeer wie Andalusien und Murcia sowie Kastilien-La Mancha im Landesinnern. Die extremen Niederschläge hatten binnen weniger Stunden zahlreiche Flüsse in reißende Ströme und Straßen in Flüsse verwandelt, die Häuser zerstörten und Bäume, Menschen sowie Fahrzeuge mit sich rissen. Der Wetterdienst Aemet sprach von einem „historischen Unwetter“, dem schlimmsten solcher Art in der Region Valencia, wo die meisten Toten verzeichnet wurden. 

Mancherorts fiel innerhalb eines Tages so viel Regen wie sonst in einem Jahr – in einigen Orten der Region Valencia Aemet zufolge bis zu 400 Liter pro Quadratmeter. Menschen, Autos und Bäume, aber auch Infrastruktur wurden in den Fluten mitgerissen. Vielerorts gab es große Verwüstung. 

Angesichts dieser plötzlichen Wettergewalten fühlten sich nicht wenige gerade in Deutschland auch an die Flutkatastrophe im Ahrtal erinnert, bei der im Juli 2021 mindestens 135 Menschen ums Leben kamen.

Auslöser für die Unwetter in Spanien war das Wetterphänomen „Kalter Tropfen“ (gota fría). Es tritt in der spanischen Mittelmeerregion in den Monaten September und Oktober häufig auf und basiert auf stark schwankenden Temperaturen von Meer und Luft. Das Phänomen entsteht, wenn sich die ersten atlantischen Tiefausläufer mit feuchtkalter Luft über das warme Mittelmeer schieben. Die Zentralregierung in Madrid rief eine dreitägige Staatstrauer ab Donnerstag aus. Sie sicherte den Betroffenen auch schnelle Hilfe beim Wiederaufbau zu.