Auch nach Ansicht des Landgerichts Dortmund muss der Deutsche Handballbund die Arbeit einer eingesetzten Kommission im Fall André Fuhr beenden. Signalwirkung für andere Verbände hat das Urteil nicht.

Der Deutsche Handballbund hat im Fall des ehemaligen Trainers André Fuhr auch vor dem Landgericht Dortmund eine Niederlage erlitten. Das Gericht kam in einem einstweiligen Verfügungsverfahren zu dem Urteil, dass der DHB die Arbeit einer eingesetzten, unabhängigen Kommission beenden muss und bestätigte damit das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm aus dem Juli. Im Hauptsacheverfahren entschied das Gericht, dass im Rahmen der Trainerordnung des DHB ein Disziplinarverfahren einzuleiten sei. 

DHB prüft Berufung

Bereits das OLG Hamm hatte entschieden, dass das Einsetzen einer externen Kommission in der Verbandssatzung nicht vorgesehen sei. Der DHB kann gegen das Urteil erneut in Berufung gehen. Dies soll nun sorgfältig entschieden werden. 

„Das Urteil ist ein Wendepunkt in diesem Fall“, erklärte Fuhrs Anwalt Markus Buchberger. Das Landgericht habe wie zuvor das OLG klargemacht, dass der DHB selbst unparteilich und in einem rechtsstaatlichen Verfahren aufklären müsse, was tatsächlich geschehen sei und erst danach eine Kommission aufarbeiten lassen dürfe. „Deshalb unterscheidet sich unser Fall auch von anderen im Sport, bei denen die Sachverhalte, die aufgearbeitet werden sollten, bereits feststanden“, erklärte der Jurist. Aus seiner Sicht könne eine Berufung nur zum Ziel haben, die Aufklärung zu verzögern.

Fuhr hatte sich dagegen gewehrt, dass der DHB zur Aufarbeitung von Vorwürfen zahlreicher Spielerinnen eine externe Kommission eingesetzt hatte. Die Spielerinnen werfen dem 53-Jährigen Machtmissbrauch und emotionale Gewalt vor. Nach Bekanntwerden der Anschuldigungen durch die Nationalspielerinnen Mia Zschocke und Amelie Berger im September 2022 hatten sich Borussia Dortmund und der DHB, bei dem Fuhr die U20 trainiert hatte, von Fuhr getrennt. 

Richterin: Keine Signalwirkung für andere Verbände

„Grundsätzliche Auffassung des DHB war und bleibt es hierbei, dass auch in diesem Fall auf Basis der Verbandsautonomie sowie der Satzung des DHB die Einrichtung einer externen und unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung und Prävention zulässig ist. Betroffeneninteressen sowie der nachhaltige Schutz anvertrauter Personen dürfen nicht in den Hintergrund treten“, sagte DHB-Präsident Andreas Michelmann in einer ersten Stellungnahme. 

Vor dem Urteil hatten Beobachter von einer möglichen Signalwirkung für andere Sportverbände in ähnlichen Fällen gesprochen. Die Vorsitzende des Verfahrens verwies aber ausdrücklich auf eine Einzelfallentscheidung, von der nichts auf andere Fälle abzuleiten sei. Im konkreten Fall sei für das Urteil mit ausschlaggebend gewesen, dass Fuhr zu den Vorwürfen nicht befragt worden sei. Das hatte der Coach wiederholt beklagt.

Kritik von Missbrauchsbeauftragter der Bundesregierung

Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, kritisierte den Richterspruch und sagte: „Dieses Urteil zeigt, wie wichtig es ist, dass wir gesellschaftlich besser verstehen, was Aufarbeitung leistet und warum sie so wichtig ist. Es geht im Kontext von Aufarbeitung gerade nicht darum, im Detail zu klären, welche Taten stattgefunden haben, sondern es geht darum, herauszufinden, welche Strukturen sexuelle Übergriffe oder grenzverletzendes Verhalten ermöglicht haben.“

Claus appellierte: „Weil Aufarbeitung eine große Bedeutung hat, um künftig Machtmissbrauch zu verhindern, ist es jetzt vordringlich, dass der organisierte Sport über seine Satzungen Rechtssicherheit schafft, Aufarbeitungskommissionen möglich macht und deren Kompetenzen und Befugnisse klar benennt, damit sich ein solches Gerichtsurteil nicht wiederholen kann.“